Vielleicht rascher als erwartet könnten sich die Gedanken von Ronald Gehrt im Daily-Observer vom 5. Juni bewahrheiten:
Es war vor fünfzehn Jahren immer noch so ... und wenngleich ich es lange nicht mehr selbst überprüfen konnte behaupte ich einfach mal, das sich da nichts verändert hat: Wenn Sie damals unter US-Bürgern fragten ob sie Ihnen Deutschland oder gar dessen Hauptstadt Berlin auf einer Weltkarte zeigen könnten, musste weit mehr als die Hälfte passen.
Wundert es da jemanden, dass die hässlichen Geräusche einstürzenden Mauerwerks in der chinesischen Börsenmauer keinen Widerhall an der Wall Street finden? Wenn derartige Einflüsse von außen kommen, und dann auch noch aus „wie heißt das?“, zuckt der gelassene US-Anleger gelassen mit den Schultern. Mehr noch als in Bayern haben da viele eine entspannte Sicht gegenüber dem Rest der Welt:
„Mir san mir“ ... und wo ist überhaupt Shanghai?
„Mir san mir ... und ein Dollar bleibt ein Dollar“. Man gibt sich nicht nur dickfellig ... man bekommt dort drüben auch viele Dinge einfach nicht mit – weil sie kaum thematisiert werden. Gerade die deutschen Experten in US-Diensten in den USA berichten immer wieder staunend von diesem Phänomen. Für manchen US-Anleger wurde die Globalisierung durch den Bau der großen Eisenbahnlinie zwischen Atlantik und Pazifik erreicht. Sonst brauchen wir nichts, thank you very much.
Das klingt gelästert. Aber drei Jahre Dienst zusammen mit US-Amerikanern in einem Nato-Hauptquartier bringen Erfahrungen mit sich, da würde Ihnen der Hut hochgehen. Und doch ... wir hierzulande verhalten uns langsam ähnlich. Denn der Umgang unserer Börsen mit abrutschenden Aktienkursen in Shanghai scheint mir recht pragmatisch und typisch amerikanisch:
1. haben sich die chinesischen Aktien nach den letzten drei dicken Rücksetzern sowieso gleich wieder erholt und
2. sollten sie es nicht tun, ist es trotzdem nur deren Problem, denn letzten Endes hat die Börse Shanghai für die Weltwirtschaft keine entscheidende Bedeutung.
Faktisch ist China kein Problem, aber Angst ist ansteckend!
Dabei ist beides auch gar nicht mal so verkehrt. Nun haben sicherlich so manche Bank oder mancher Fonds ihre Tentakeln auf diese Börse ausgestreckt und man darf sicher gespannt sein, wer plötzlich rote Ohren bekommt, wenn es weiter bergab ginge. Aber dennoch ist das dann nur indirekt und in verhaltenem Ausmaß.
Denn die einbrechenden Kurse tauchen vor allem dort auf, wo die Chinesen unter sich sind, weil Ausländer diese Bereiche nicht handeln dürfen. Und es geht um Aktien von Unternehmen, deren eventuell daraus entstehende Bedrängnis die chinesische Konjunkturblüte nicht spürbar beschädigen dürften.
Aber ... das sieht mir in China langsam danach aus, als würde sich da die Angst langsam an der Gier vorbeidrängen ... ich weiß nicht recht ... wenn Shanghai in den kommenden zwei Wochen weiter fällt, könnte plötzlich der eine oder andere genauer hinsehen, denn: Angst ist ansteckend!
Es könnte durchaus sein, dass dann manch einer während des Gipfelsturms der amerikanischen und deutschen Aktien doch mal nach unten sieht ... und Schwindelgefühle sind am Aktienmarkt jetzt höchst unpassend, wenn man eigentlich noch ein paar „Tausender“ bezwingen wollte. Vor allem:
Der Weg nach oben ist gut geölt ... für Öl
Was, wenn der US-Anleger diese Angst nicht aus China herüberwehen sieht, sondern sie hautnah spüren darf, wenn er seinen 20-Liter-auf-Hundert-Sparmobil-Zweitwagen betankt?
Alle wissen: Jetzt nahen Urlaubssaison und die Hurrikans. Alle wissen, dass das in den vergangenen Jahren zumindest bis August fast immer noch stärker steigende Öl- und Benzinpreise bedeutete. Jeder weiß, dass das Kostenbelastungen sind, die diesmal ein Ausmaß erreichen können, um die erhoffte Erholung des fußkranken US-Wirtschaftswachstums über den Kostendruck auf die Unternehmen und auf die Portemonnaies der Bürger zu torpedieren. Und jeder tut so, als wäre nichts.
Ölpreise ... kurz vor neuen Jahreshochs?
Aber wie lange noch? Gestern hüpfte der Ölpreis – ob Nordsee-Brent oder US-WTI – mal eben binnen ein paar Stunden wieder ganz nahe an die bisherigen Jahreshochs heran. Die Konsolidierung der Tage zuvor wurde Ruckzuck egalisiert und die Erwartung, dass die kurzfristige Chance auf eine Beruhigung in Nigeria die Kurse konsolidieren würde, ist dahin.
Hier, beim Öl, da sitzen die Gefahren. Das können die Amerikaner nicht ignorieren – bei jetzt schon flotten 3 Dollar 20 für eine Gallone Normalbenzin. Und eigentlich wissen alle, man sollte jetzt noch mal voll tanken, denn bald sind es 3,50 oder mehr. Dumm nur, dass die Tanks in Relation zum Verbrauch halt klein sind ...
Es wäre überraschend, wenn die Aktienmärkte diese faktische Bedrohung des Konsums und der Industrie dauerhaft ignorieren können.